Guten Morgen.
Ein
gutes und zufriedenes Leben führen. Dazu gehören Familie und Freunde. Was aber,
wenn meine Familie instabil ist und mir die Freunde zum Verhängnis werden?
So
wie bei ihm. Seine Mutter ist Alkoholikerin. Der Vater – nicht da. Das geht
nicht gut. Immer wieder muss das Jugendamt einschreiten. Trotzdem schafft er
irgendwie die Schule und bekommt sogar einen guten Ausbildungsplatz.
Zwischen
ihm und seiner Mutter eskaliert es immer öfter. Es geht nicht mehr. Obwohl er
noch nicht volljährig ist, zieht er zu seiner Schwester. Doch da ist es zu eng.
Nicht wirklich Platz für ihn. Im Viertel lernt er Leute kennen, die er gut
findet. Sie bieten ihm an: „Zieh doch zu uns.“ Das macht er. Und das gefällt
ihm. Endlich selbständig.
Die
Leute sind aus der Neonazi-Szene. Er nimmt an deren Veranstaltungen teil und
verbringt seine Freizeit mit ihnen. Er ist ein guter Kumpel. Für die Szene und
auf der Arbeit. Sein Ausbildungsleiter ist begeistert, wie er sich reinhängt in
die Arbeit. Doch dann hört der Ausbildungsleiter über andere Mitarbeitende:
„Dein Azubi war bei einer rechtsextremen Kundgebung.“
In
der Firma ist ganz klar: Rassismus, minderheitenfeindliche und
völkisch-nationalistische Einstellungen haben hier keinen Platz. Der
Ausbildungsleiter und eine weitere Vorgesetzte holen sich Rat. Bei dem Projekt
„U-Turn“ – Wege aus dem Rechtsextremismus und Gewalt. Ein U-Turn ist ein
Wendemanöver um 180 Grad beim Autofahren oder beim Skateboardfahren. Eine
Kehrtwende.
Das
Projekt „U-Turn“ unterstützt die Vorgesetzten im Betrieb dabei, mit dem
Auszubildenden zu sprechen. Sie zeigen ihm Wege auf, wie er die Neonazi-Szene
wieder verlassen kann. Kein leichter Weg. Denn vor allem kommt es ihm auf die
Freundschaften und Bekanntschaften dort an – nicht auf die rechtsextremen
Inhalte.
Aber
er will auch seinen Ausbildungsplatz nicht verlieren. Den braucht er, das weiß
er, um ein selbständiges und gutes Leben führen zu können. Vom Betrieb aus
hilft man ihm, eine Wohnung zu finden. Und er sucht und findet neue
Freundschaften im Bereich seiner Hobbies. Er schließt seine Ausbildung ab. Beim
Projekt „U-Turn“ lernt er zu verstehen, wie menschenfeindlich die Gedanken in
der Neonazi-Szene sind. Die Leute von „U-Turn“ stehen ihm noch eine ganze Zeit
weiterhin zur Seite.
Was
ich hier so kurz erzähle, ist ein langer Prozess, der auch nicht immer gelingt.
Es braucht ein ganz neues und stabiles soziales Netz für jemanden, der in eine
solche Szene hineingerät. Sonst droht wie bei Drogen der Rückfall. Er kann
jetzt selbstbewusst entscheiden, welche Haltungen er für sich annimmt und
welche nicht. Ohne den Druck der Gruppe. Weil er fühlt: Zusammen bewegen wir
was, ich bin zuhause, ich bin wertgeschätzt und kann gut für mich selbst
sorgen.
Seit Jahren leisten Projekte
wie „U-Turn“ verlässliche Beratungs- und Unterstützungsarbeit. Wie gut, dass der junge Mann seinen U-Turn geschafft
hat. Seine Geschichte zeigt, dass man etwas tun kann, wenn jemand abgleitet.
Es gibt kompetente Hilfe.
Niemanden verloren geben, das ist für mich eine christliche Motivation.
Jemandem zur Seite stehen, bis er eine Kehrtwende weg von Menschenfeindlichkeit
geschafft und seinen Weg in ein gutes und selbständiges Leben gefunden hat.
Achten Sie gut aufeinander,
Petra Schulze, Rundfunkpfarrerin in Düsseldorf.
Hilfreiche Links zum
Thema:
https://www.u-turn-do.de/
https://www.demokratie-leben.de/projekte-expertise/projekte-finden-1/projektdetails/u-turn-wege-aus-dem-rechtsextremismus-und-der-gewalt-beratung-begleitung-praevention-370
https://www.mobile-beratung-nrw.de/
alle zuletzt abgerufen am: 26.09.24